Badische Zeitung vom 22.09.2015
Im Chor gegen das Vergessen
Der Caritasverband hatte am Samstag Menschen mit und ohne Demenz zum gemeinsamen Volksliedersingen eingeladen.
SCHOPFHEIM. Ein Ad hoc-Chor der besonderen Art musizierte am Samstag Vormittag in der Alten Scheune: Zum Motto "Im schönsten Wiesengrunde" hatte der Caritasverband Menschen mit und ohne Demenz zum Volksliedersingen eingeladen. Etwa 30 Leute folgten der Einladung und genossen das gemeinsame Musizieren offenkundig.
Schon nach kurzer Anwärmphase entfaltet sich im Veranstaltungsraum unter der Ägide von Organisatorin Silvia Steimle-May eine beeindruckende Stimmfülle, die anfängliche Zurückhaltung ist im Nu wie
weggeblasen, ein jeder stimmt vollkehlig in die Weisen ein und fühlt sich im gemeinsamen Singen offenkundig pudelwohl.
Auf dem Programm steht eine reiche Auswahl alter Volksweisen – und das Zusammenspiel des Ad hoc-Chors klappt auf Anhieb wunderbar: Die Melodien sind den überwiegend älteren Menschen wohlbekannt
und ebenso die Texte. Und wenn’s beim letzten Vers der vierten Strophe doch einmal ein wenig hapert, hilft ein Blick in die Texthefte.
Dass der Chor die Lieder derart klangvoll in den Raum schmettert, ist bemerkenswert, denn es sind viele Menschen mit dabei, denen die Demenz einen großen Teil ihrer früheren Fähigkeiten genommen
hat. Nicht jedoch die Musik. "Singen ist etwas sehr Wertvolles für demente Menschen. Es ist etwas, das ganz lange noch funktioniert, auch wenn andere Fähigkeiten schon stark eingeschränkt sind",
erklärt Caritas-Mitarbeiterin Silvia Steimle-May, die eben diese musikalische Saite in ihren Demenz-Betreuungsgruppen denn auch gerne zum Klingen bringt.
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Dass Musik und Rhythmus den Menschen so lange erhalten bleiben, hat seinen Grund darin, dass für das Musikalische viele verschiedenen Hirnareale zuständig sind; auch wenn wie bei der Demenz
Nervenzellen absterben, bleiben andere Gehirnbereich für Musik empfänglich.
Da in Liedern Melodie und Sprache untrennbar verwoben sind, funktioniert im Singen die Sprache zuweilen auch bei jenen noch, bei denen diese Fähigkeiten eigentlich schon arg eingeschränkt ist.
Ein großes Weiteres zur gelösten Stimmung in der Alten Scheune tut das emotionale Moment und die gemeinschaftsstiftende Wirkung, die der Musik ganz allgemein innewohnen. "Lieder und Musik sind
die beste Altersvorsorge", erklärt Sepp Gehwiler, der gemeinsam mit seinen beiden Begleiterinnen aus dem Luzerner Umland eine weitere besondere Note in den Liedermorgen einbringt: Er selbst
begleitet die Weise mit dem "Handörgeli", Maja Elmiger und Chantal Jansen schaffen eine berührende Stimmung im Raum, indem sie im Duett Jodeln.
Im Laufe des Vormittags geht es im munteren Liederreigen von der "Mühle im Schwarzwälder Tal" zum Brunnen vor dem Tore" und weiter zum "Böhmerwald". "Z’Mülle uf de Poscht" schauen die Sänger
ebenso vorbei wie "In Muetters Stübeli", die Gedanken sind frei. Im Nu ist eine Stunde herum, und es ist Zeit, die Kehle ein wenig zu befeuchten und sich ein Vesper in den Magen zu packen, bevor
es auf geht zu zweiten Runde, in der vor Wanderlieder und Liebesliedern auf dem Sing-Programm stehen und schließlich solche Weisen, die sich mit dem Thema Abschied beschäftigen. Das Sing-Treffen
fand im Rahmen der kreisweiten Veranstaltungsreihe "Leben mit Demenz" statt, und fügte sich zugleich ein in das Angebot des Gruppe "Leben mit Demenz im Wiesental": Einmal im Monat jeweils
Samstags lädt die Initiative Menschen mit Demenz und deren Angehörige zu Frühstück und kleinem Aktivitäten-Programm in die Alte Scheue ein; ein Angebot, das gerne angenommen wird und mittlerweile
auf zahlreiche Stammbesucher zählen kann.